Über
die Rolle der Schupo im Mitteldeutschen Aufstand berichtet der jüdische Mathematiker
und politische Publizist Emil Julius Gumbel (1891-1966) in Vier Jahre politischer
Mord, Verlag der Neuen Gesellschaft, Berlin-Fichtenau 1922, Seite 67 bis 68: Als
wegen der Märzunruhen 1921 eine Abteilung der Düsseldorfer Schutzpolizei
sich Klostermansfeld näherte, ging ihr der stellvertretende Gemeindevorsteher
Paul Müller (Kommunist) entgegen, erklärte, im Orte sei alles ruhig,
und zog an der Spitze der Polizisten, zusammen mit dem Hauptmann, der das Kommando
führte, in den Ort ein. Obwohl er die Arbeiter ausdrücklich gewarnt
hatte, wurde aus dem Ort geschossen, wobei Müller natürlich ebenfalls
bedroht war. Am Nachmittag wurde Müller aufgefordert, sich bei dem Hauptmann
der Schutzpolizei zu melden, was er tat. Um 9 Uhr abends wurde er in Einzelhaft
genommen. Am Morgen des 27. März wurde er auf der Chaussee nach Leimbach,
etwa 150 Meter vom Orte entfernt, erschossen aufgefunden. Das Gefängnis,
in das er angeblich gebracht werden sollte, lag in einer ganz andern Richtung.
Die Leiche zeigte am Kopfe Spuren von Mißhandlungen. Das
Verfahren wurde am 21. April 1921 eingestellt, da "Müller wahrscheinlich
auf der Flucht erschossen worden sei", später jedoch wieder aufgenommen.
(
.) Die
im folgenden dargestellten Fälle beruhen auf den Verhandlungen des Untersuchungsausschusses
der preußischen Landesversammlung betr. die Unruhen in Mitteldeutschland
vom November 1921. Dabei hat sich u. a. herausgestellt, daß in keinem dieser
Fälle ein Verfahren durch den Staatsanwalt eingeleitet worden war. In
Querfurt wurden am Ostermontag, 28. März, nach entsetzlichen Mißhandlungen
die Gefangenen Peter, der Lagerhalter des Konsumvereins Straube (Kommunist) und
ein Dritter erschossen. Die
Täter gehörten zur Düsseldorfer Schupo unter dem Grafen
Poninski. Der Konsumverein wurde ausgeplündert. In
Besenstedt wurden der Sanitäter Kurt Herzau und der Arbeiter Gustav
Thieleke, in Bischofsrode am 1. Ostertag acht Gefangene, darunter der Knecht
Pawlack aus Helbra und der Bergmann Weiner und ein gewisser Dietrich durch
Düsseldorfer Polizisten, in Schraplau am 2. Ostertag sechs
Gefangene, darunter Martin Deutsch, Müller, Poblentz und Trautmann, in einem
Kalkofen er schossen. Bei
der Einnahme des Leunawerkes sahen die Offiziere bei den Mißhandlungen
durch Oberwachtmeister Heim und andere Sipoleute zu: Einem Gefangenen, bei dem
eine Pistole gefunden worden war, wurde der Schädel eingeschlagen, so daß
das Gehirn an die Wand spritzte. Ein anderer mußte sich selbst erschießen.
Insgesamt wurden 9 Leute umgebracht, darunter Lederer, Isecke und Zillmann.
In Mitteldeutschland war kein Standrecht verhängt worden. In keinem Fall
hat eine Bestrafung stattgefunden. Wie
eine Erschießung auf der Flucht inszeniert wird Während
des Märzaufstandes 1921 kam die Merseburger Polizeihundertschaft am 31. März
durch Gröbers. Dort wurden ihnen von anderen Truppen die Leichen der
verstümmelten Beamten gezeigt, die dort gefallen waren. So wurden sie zu
Morden aufgestachelt. Der kommunistische Ortsvorsteher von Osmünde,
Mosenhaner, war verhaftet worden. Auf der Straße nach Schkeuditz wurde
er vom Auto geholt, unter furchtbaren Schlägen auf den Kopf ins Feld getrieben
und von dem nicht zur Bewachungsmannschaft gehörigen Wachtmeister Rudolf
Böhm "auf der Flucht" erschossen. In
seiner ersten Vernehmung am 28. April 1921 durch den Regierungsrat Dr. Kielhorn
war Böhm geständig. Er sagte aus: "als ich sah, daß der Ortsvorsteher
übers Feld ging, riß ich einem neben mir stehenden Beamten den Karabiner
weg und schoß, in der Annahme, daß er fliehen wolle. Ich hatte nicht
"Halt" gerufen. Nach
der Aussage des Oberwachtmeisters Lichtenberg vor dem Untersuchungsausschuß
des Preußischen Landtages wurde Mosenhauer zweimal absichtlich auf das Feld
geschickt, damit man ihn erschießen könne. Beim ersten Mal gingen zufällig
einige Telegraphenarbeiter vorbei, deshalb wurde er wieder zurückgerufen.
Als die Zeugen sich entfernt hatten, schickte man Mosenhauer das zweite Mal hinaus.
Er ging zögernd und sich häufig umwendend. Der Schuß fiel, als
er das Gesicht nach der Straße zuwendete. Die tödliche Wunde erhielt
er an der linken Brustseite vorn. Die Leiche lag mit dem Gesicht zum Auto. Am
31. Oktober 1921 wurde Böhm vor dem Schwurgericht Halle (Anklagevertreter
Staatsanwaltschaftsrat Luther, Vorsitzender Landgerichtsdirektor Thorwest) freigesprochen.
(Vergl. Erich Kuttner:
Der Freispruch eines Geständigen. "Die Glocke", 1. Mai 1922. Untersuchungsausschuß
29. Oktober 1921.) |