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Langemarck-Denkmal

 

Vom 8. bis 11. Juni 1933 tagt in Naumburg die 4. Reichsführertagung des Stahlhelm-Studentenrings "Langemarck" zum Thema Wehrsport und Hochschularbeit. Sie beschliesst, ein Mahnmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Stahlhelm-Studenten zu errichten.

 

Langemarck-Denkmal
auf der
Waldschloßwiese im
Bürgergarten von Naumburg an der Saale (etwa 1934)

Die Schlacht bei Langemarck fand vom 21. Oktober bis 15. November 1914 nahe dem Ort Bixschote in Flandern statt. Unter Führung von Generaloberst Herzog Albrecht von Württemberg (1865-1939) will die deutsche Armee die Kanalküste bis Calais besetzen. Von Beginn an gibt es hohe Verluste. Bereits am ersten Tag, dem 21. Oktober, werden drei Regimenter nahezu aufgerieben. Weitere Angriffe folgen. Der deutsche Angriff scheitert. Die Verteidiger öffnen am 31. Oktober bei Flutbeginn kontrolliert die Schleusen [bei Nieuport]. Das stellt die Angreifer auf Grund der Überflutung großer Geländestreifen vor unlösbare Probleme. Eine Sprengung der Schleusen, wie oft zu lesen, fand nicht statt. Das hätte auch die Verteidiger betroffen. Aber die deutschen Angreifer verbluteten im Artillerie- und Maschinengewehrfeuer des Gegners. Die unzulänglich ausgebildeten Soldaten, von vielen unerfahrenen Offizieren geführt, scheiterten unter schwersten Verlusten am britischen Gegenfeuer. Einige Regimenter hatten eine Verlustrate von 50 bis 60 Prozent zu beklagen. Manche sogar noch mehr.

 

Am zweiten Tag der Reichsführertagung des Stahlhelm-Studentenrings besucht

Franz Seldte,
Erster Bundesführers des Stahlhelms
und Reichsarbeitsminister,

die Konferenz. Er trifft um 10.10 Uhr auf dem Bahnhof in Naumburg ein. Die Begrüssung übernimmt der Gauführer des Stalhelms, Rechtsanwalt Loewe (Naumburg). Nun weht, wie es damals hiess, durch Naumburg ein Geist der "Kameradschaft, des Opferwillens, der Freiheit und der Wehrhaftigkeit".

Getragen vom "Frontgeist", entstand die Bewegung gegen die "Revolte vom November 1918", räsoniert der Gründer des Bundes der Frontsoldaten bei seinem Eintreffen, die nach 14-jährigem Kampf den "Durchbruch der nationalen Revolution" brachte. Wer so spricht, verdient es, 1933 in Naumburg zum Ehrenbürger der Stadt ernannt zu werden.

Gegen 11 Uhr legt eine Abordnung in Saaleck an den Gräbern von Fischer und Kern unter Führung des stellvertretenden Führers des Stahlhelms Studentenrings Langemarcks Doktor Heinz Kiekebusch einen Kranz nieder.

 

Franz von Papen
am 11. Juni 1933
auf dem Markt in Naumburg (Saale). Um 16 Uhr beginnt eine Kundgebung. Der Vizekanzler im Kabinett Hitler spricht über
Die Aufgaben der deutschen Jugend im Staat.

"So wird uns der Geist von Langemarck nicht nur zum Symbol vaterländischen Opfers," rief Franz von Papen den Bürgern zu, "sondern des höheren Lebens überhaupt."

Aus Anlass der Reichsführertagung besucht

am 11. Juni 1933

Vizekanzler Franz Papen (1879-1969) die Stadt.

Sein Vorgänger Reichskanzler Brüning wollte den hoffnungslos verschuldeten ostelbischen Großgrundbesitz enteignen (Agrarbolschewismus), was auf den Widerstand um Kurt von Schleicher und Reichspräsident Hindenburg stiess. So führte dann das Mitglied des feudalen Berliner Herrenclubs ab 1. Juni 1932 die "Regierung der nationalen Konzentration" an. Mitte Juni 1932 hob Franz von Papen das SA-Verbot auf. Für ihn war das "Vorhandensein eines Privatheeres, einer Kampforganisation, die einen Staat im Staate bilde", wie es die Notverordnung zum Verbot der SA feststellte, damals offenbar keine "Quelle steter Beunruhigung". Daran dürften sich NSDAP und SA-Anhänger in Naumburg jetzt gern erinnern. Ganz nach ihrem Geschmack war, dass Hitlers Vize damals schon die Ausschaltung der demokratischen Linke anstrebte. Das "Kabinett der Barone" bereitete - schlicht gesagt- die weitere Annäherung an Adolf Hitler vor. (Vgl. Graml 207, 205)

Zur Einweihnug des Langemarck-Denkmals überbringt Franz von Papen die Botschaft:

"Das Wort von dem Umbruch der Zeit unserer Tage ist auf aller Lippen. Ein Volk, das sich selbst neu erlebt, seiner Vergangenheit, seiner Werte, seiner Kraft und seiner Hoffnungen sich neu bewusst wird. Es hieße dem Erbe von Langemarck nicht gerecht zu werden, sollten wir nur die Tradition dieser Vaterlandsliebe pflegen. Gewiß ist uns das Objekt jener Liebe, dieses Deutschland, teuer und heilig. Genauso heilig sollte uns aber die sittliche Größe sein, die in der Opferstunde von Langemarck uns entgegentritt."

Die Deulig-Ton-Woche (Nr. 76 vom 14. Juni 1933) veröffentlicht diese Passage, was den Zorn von Hitler und Goebbels erregt haben soll, weil sie dem Deutschnationalen diesen Auftritt neideten.

Gegen 20.30 Uhr begrüsst Bürgermeister Karl Roloff im großen Rathaussaal mit einer kleinen Ansprache 800 Ehrengäste und Teilnehmer der Reichsführertagung zum Kommers des Stahlhelm-Studentenrings Langemarck. Zugegen ist die Prominenz der Stadt, also der Präsident des Oberlandesgerichts, der Oberstaatsanwalt und so weiter.

"Wehrsport und Hochschulsport stehen
im Mittelpunkt der diesjährigen Verhandlungen",

sagt der Bürgermeister. Dann rühmt er den "genialen Reichskanzler Adolf Hitler". Friedrich Wilhelm Heinz (1899-1968), ehemaliges Mitglied der Organisation Consul, spricht über

"Die Verwirklichung der Kriegserlebnisse
durch die junge Generation"

und beschwört den Geist von Langemarck.

"Der Stahlhelm", sagt Bundeshauptmann Major Franz von Stephani (1876-1939) vor den geladenen Ehrengästen mit Stolz,

"habe diesen Staat mit geschaffen und gehöre zu ihm neben den braunen und schwarzen Kolonnen der SA und SS. Die Stahlhelmer seien 14 Jahre für dieses Dritte Reich marschiert …"

Ein weiterer Redner erklärt, die Aufgabe des Stahlhelms ist es, Führerpersönlichkeiten zu schaffen.

 

Auf Initiative der Hochschulgruppen des Stahlhelm-Studentenbundes Langemarck in Halle, Leipzig, Wittenberg, Berlin und Jena wird am 6. September 1933 das Langemarck-Denkmal auf der Waldschloßwiese im Bürgergarten geweiht. Bei der Vorbereitung leistete, läßt der Stahlhelm verlauten, Polizeikommissar Mollenhauer und seine Beamten unermessliche Dienste. Besondere Unterstützung erhielten sie von

Stadtbaurat Paul Schröter.

Den Beschluss zum Bau des Langemarck-Denkmals fasst die Stadtverordnetenversammlung

am 26. Januar 1933.

Zuvor befürwortete der Bau- und Finanzausschuss den Antrag. "Patriotische Einstellung und Krämergeist bewirken, dass man den Studenten bei ihrem Verlangen bereitwillig entgegenkommt und für ein aufzustellendes Denkmal den Platz zur Verfügung stellt", analysiert der Volksbote (Zeitz) am 31. Januar 1933 das Geschehen.

Schriftsetzer und KP-Mann Franz Neubert (Windmühlenstraße 6a) ist entschieden gegen die Annahme des Antrages und argumentiert,

dass die Anschaffung und Installation eines Waschkessels für die Familien in den Polizeiunterkünften der Ostkaserne wichtiger sei als ein Steinklotz für die Studenten.

Kaufmann Friedrich Hagemann (Jägerplatz 6) vom Bürger Wirtschaftsblock wendet sich gegen die Ausführungen des Stadtverordneten Neubert. Er erinnert ihn daran, dass ihre Demonstrationen große Schrecken über die Bevölkerung der betroffenen Städte brachte.

Beim Besuch des Kronprinzen August Wilhelm von Preußen (1887-1949) am Donnerstag, den 7. September 1933 kommt es zu Ausbrüchen der überschäumenden Volksseele. Zum Spalier stehend erhielten die Schüler des Domgymnasiums schulfrei.

Für den ehemaligen Domschüler (Jahrgang 1906) und deutschnationalen Abgeordneten Landwirt Moritz Starke (Jahrgang 1889) aus der Weißenfelser Straße 14 ist der Bau des Denkmals eine

patriotisch Ehrenpflicht.

Der NSDAP-Stadtverordnete Postschaffner Walter Schmöller (Linsenberg 21) und spätere NSDAP-Ortsgruppenführer (1941) nimmt den Antrag zum Anlass, um eine

Hurra-Rede auf Kaiser Wilhelm

auszubringen. Er erinnert an die "Millionen Kameraden die von uns gegangen sind", die gefallen und gestorben sind. "Daß Schmöller diejenigen als Verbrecher bezeichnete," kommentiert der Volksbote (Zeitz) seine Rede, "die an dem patriotischen Mist keinen Gefallen finden, nimmt bei einem nationalsozialistischen verseuchten Gehirn kein Wunder."

Den Antrag zum Bau des Denkmals fasst die Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen der Harzburger Front - NSDAP, DNVP - Wirtschaftsblock gegen die SPD und KPD angenommen.

 

Hotel Schwarzes Roß (vor 1945),
Große Wenzelsstraße 21

Am 6. September 1933.

erfolgt die Einweihung des Langemark-Denkmals. Die Bürger stellen den Gästen Freiquartiere zur Verfügung. Kronprinz Wilhelm von Preussen nimmt dies nicht in Anspruch. Kaiserliche Hoheit residiert im Hotel Schwarzes Roß (Inhaber August Dinter, Jahresumsatz 1934 etwa 145 000 Reichsmark). Vormittags führt er Gespräche mit Naumburger Kriegsveteranen.

Als Ehrengast begrüsst die Stadt ausserdem den Reichsarbeitsminister und ersten Bundesvorsitzenden des Stahlhelms

Franz Seldte.

Der Markt von Naumburg
am 6. September 1933 zur Einweihung
des Langemarck-Denkmals

Im Ratskellersaal erfolgt der offizielleEmpfang. Bürgermeister Roloff und Rechtsanwalt Doktor Kiekebusch, bevollmächtigter Führer des Stahlhelmstudentenrings Langemarck, halten eine kurze Ansprache. Anschließend findet auf dem Markt eine Kundgebung statt.

Um 21.30 Uhr meldet eine rote Leuchtkugel über dem Bürgergarten die Ankunft der Ehrengäste. Zum Empfang stehen eine Kompanie der Reichswehr, Abordnung der SA, SS und des Stahlhelm Gau Naumburg als Ehrenformationen bereit. Erschienen ist Kronprinz Wilhelm von Preussen, der Bundeshauptmann des Stahlhelms Major a. D. von Stephani, Vertreter des Kösener SC [Senioren-Convent] und der Deutschen Burschenschaft. Über dem Platz schwebt ein magischer Fackelschein. Lichtspiele, Reden, Musik, Gesang und Gestimmtheit der Massen reihen sich massenpsychologisch wirkungsvoll komponiert aneinander. Franz Seldte hebt zu einer kernigen Rede an, die von Begeisterung, Opferbereitschaft und Tapferkeit erzählt.

 

Langemarck-Denkmal auf der
Waldschloßwiese im Bürgergarten (etwa 1934)

 

Das Ehrenmal ist ein 6 mal 2 mal 8 Meter langer Steinblock und symbolisiert einen Bunker, flankiert von zwei mächtigen schwarzen Kreuzen, je 5,50 Meter hoch und 1,35 Meter breit. Es erinnert an ein Gefecht im November 1914 in Flandern. Die südöstliche Stirnwand des Monuments trägt den Namen "Langemarck". Um das Denkmal läuft ein Wassergraben, der das überschwemmte Flanderland symbolisiert.

"Junge Regimenter" warfen sich bei Langemarck mit dem Gesang

Deutschland, Deutschland über alles

gegen die feindlichen Stellungen. 2 000 französische Infanteristen wurden gefangen genommen und sechs Maschinengewehre erbeutet. So webt das Naumburger Tageblatt am Mythos von Langemarck. In diesem Sinne fordert eine stadtbekannte Parteigenossin:

Hütet das Erbe von Langemarck.

Hier warf die Jugend das Ich ab, sagt sie weiter. - Das Ich? Es war ihr Leben! - Dazu trommelt im Herbst 1933 - auch - die örtliche Presse:

Die europäische Neuordnung ist nicht aufzuhalten.

 

Das Langemarck-Denkmal dient der Stadt, der NSDAP-Orts- und Kreisleitung für Gedenkveranstaltungen und der Einsegnung.

Aus Anlass des NSDAP-Kreisappells erfolgt hier

am 30. Mai 1937

die symbolische Weihe von elf Fahnen der DAF (Deutsche Arbeitsfront), zwei Fahnen der NSKOV (Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung) und einer Fahne der Deutschen Arbeitsfront, Abteilung Wehrmacht.

Am

Sonntag,
den 19. April 1936,

erfolgt am Langemarck-Denkmal das feierliche Zeremoniell zur Eingliederung in das Jungvolk. Hierzu nehmen etwa 600 Jungen der Stadt um das Denkmal in Viereckform Aufstellung. Alles begleitet von einem enormen propagandistischen Aufwand: Fanfaren, Sprechchöre, Lieder undsoweiter. Zur Jugend spricht NSDAP- Kreispropagandaleiter Lehrer Walter Schieke:

"In dieser Stunde seid ihr angetreten, um das Gelöbnis zu Adolf Hitler abzulegen. Es gab in Eurem Leben noch keine Stunde, wo ihr angetreten seid, einen Schwur abzulegen. Ihr werdet heute eingereiht in die nationalsozialistische Bewegung."

"Dass Mahnmal ist ein Zeichen
der Treue und Opferbereitschaft."

Die HJ verspricht:

"Die Jugend Adolf Hitlers tritt das Erbe der Front,
der Helden von Langemarck an …."

Um Lebensraum für die deutschen Volksgenossen zu erobern, soll die heranwachsende Jugend mit dem deutschen Heldenmythos von Langemarck ausgestattet wieder gegen Polen, Frankreich und die Sowjetunion in den Krieg ziehen.

 

Nach 1945 wird der Ehren-Bunker abgetragen.

 

 

 

Bossack, Anne-Franziska: Städtebau zwischen Retrospektive und Avantgarde. Naumburg an der Saale von 1900 bis 1939. Masterarbeit im Masterstudiengang. Denkmalpflege - Heritage Conservation der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Fachhochschule Coburg, Betreuer Professor Achim Hubel, 2. August 2012

Deulig-Tonwoche Nr. 76, 1933. Aufnahme 14. Juni 1933. 135 Meter mit Ton.
unter anderen: Führertreffen des Stahlhelm'-Studentenrings in Naumburg/Saale, Rede von Papen.

[Eingliederung] Die Eingliederung des Jungvolks. "Naumburger Tageblatt", Naumburg den, 20. April 1936

Graml, Hermann: Zwischen Stresemann und Hitler. Die Außenpolitik der Präsidialkabinette Brüning, Papen und Schleicher. R. Oldenbourg Verlag, München 2011

Hauswald, Dörthe: Bürgergarten Naumburg/Saale. Diplomarbeit, Fachhochschule Nürtingen, Fachbereich Landespflege, Sommersemester 1992

Hurrapatriotismus im Naumburger Stadtparlament. "Volksbote", Sozialdemokratisches Organ für die Kreise Zeitz, Weißenfels, Naumburg", Zeitz, den 31. Januar 1933

Papen, Franz: Rede, gehalten in Naumburg (Saale) am 11. Juni 1933. In: Franz von Papen: Das deutsche Gewissen, Reden zur nationalen Revolution. Neue Folge. Gerhard Stalling, Oldenburg 1933, Seite 59 bis 63

Reichsminister Seldte in Naumburg, "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 10. Juni 1933

Reisebericht. Merseburg, 30. November 1940. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 48 I h, Nr. 908

Seldte, Franz: Rede auf der 4. Reichsführertagung des Stahlhelm-Studentenrings "Langemarck" am 9. Juni 1933 in Naumburg. In: Reichsminister Seldte in Naumburg. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 10. Juni 1933

Stahlhelm-Studentenring "Langemarck". Festschrift zur 4. Reichsführertagung des Stahlhelm-Studentenrings "Langemarck" vom 8. bis 11. Juni 1933 in Naumburg.

Vizekanzler von Papen spricht zu den Studenten. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 12. Juni 1933

Volkshochschulen erhalten neue Lehrkräfte und neuen Raum. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 27. Januar 1933

 

* Fotoalbum der Rosemarie Böttger (1921-2005)

Autor:
Detlef Belau

Geschrieben: April 2005.
Aktualisiert: 12. März 2010
Nachtrag: Dezember 2012

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