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Paul
Schultze-Naumburg (1869-1949)
Ende des letzten Jahrhunderts erlebt Saaleck eine Schultze-Naumburg-Renaissance.
Das "Engagement für den Schutz der Natur und der kulturellen Werte der Heimat" des Architekten, Kunsttheoretikers, Malers und NSDAP-Politikers Paul Schultze-Naumburg, hebt Hans-Dieter Speck (Weißenfels) "als ein großes Verdienst hervor. Im Jahr 2000 berichtete der Journalist über die Aktivitäten zur Unterstützung des Projekts Saalecker Werkstätten: Das Arbeitsamt realisiert Arbeitsbeschaffungsmassnahmen (ABM-Stellen), die Stadt Bad Kösen fördert das Projekt, Presseberichte erscheinen, Aktivitäten im Bereich Forschung und Maßnahmen zum Denkmalschutz sind zu verzeichnen. Bereits am 3. September 2007 drängte sich der Süddeutschen Zeitung (SZ) die Schlussfolgerung auf:
Die Lotto-Gesellschaft Sachsen-Anhalt unterstützt auf Anraten des Magdeburger Kultusministeriums die Einrichtung eines Archivs mit 5 000 Euro.
berichtet Günter Kowa (SZ),
Biographisches Er ist weder ein Psychologe," sagt ein Freund über Paul Schultze-Naumburg, "noch ein Menschenkenner, aber eine ausgesprochene Führernatur. Die Führernatur ist der Sohn des Porträtmalers Gustav Adolf Schultze, der seit 1863 in der Neugasse, der heutigen Lindenstraße 4, ein Fotoatelier besaß. Außerdem nennt er in Almrich ein Anwesen sein Eigen. Hier erblickt am 10. Juni 1869 sein jüngster Sohn Paul das Licht der Welt. Um Verwechslungen mit seinen Mitschülern im Realgymnasium Naumburg auszuschließen, erhält er vom Vater, geboren 1825 in Naumburg, den Zusatznamen Naumburg. 1886 beginnt an Kunstgewerbeschule
in Karlsruhe, später auch an der Kunstakademie, eine Ausbildung als
Maler. Zu seinen Lehrern gehörten Ernst Schurth (1848-1910) und Theodor
Poeckh (1839-1941). Ab 1891 war er Meisterschüler bei Ferdinand Keller
(1842-1922).
Während der Karlsruher Zeit war er für zwei Semster Gasthörer
im Bereich Architektur der Technischen Hochschule Berlin.
Ein Jahr nach Ankuft in München, gründet er 1894 mit seiner ersten Frau Ernestine, geborene Maack, in der Theresienstrasse 75 eine Mal- und Zeichenschule. In der Stadt enstehen unter Beteiligung von Obrist, Riemerschmid, Pankok, Bruno Paul und anderen die "Vereinigten Werkstätten". Schultze-Naumburg zeichnet für sie seine ersten eigenen Möbel (Bartning 1929). 1897 erfolgt der Wechsel nach Berlin. Hier schliesst er sich wieder der Künstlergruppe "Sezession" an.
Kunsterzieher des deutschen Volkes Mit einem Anklang von Bewunderung schreibt das Naumburger Tageblatt aus Anlass des 50. Geburtstags von Paul Schultze-Naumburg: "Nur wenige haben in den Jahrzehnten vor dem Kriege einen so tiefgehenden und weitwirkenden Einfluss auf die Gestaltung des künstlerischen Empfindens im deutschen Volke ausgeübt wie Paul Schultze-Naumburg." Wahr ist, dass ihm um die Jahrhundertwende der Ruf eins Refomers vorauseilte, der die Verhässlichung der Städte und Dörfer, rückständige Moden und Lebensweisen kritisiert. Er vermisst in der Architektur der Gegenwart, hebt 2018 Ralf-Peter Pinkwart hervor, "Gesinnung", "Charakter" und "Wahrhaftigkeit".
Im "Kunstwart" - unter der Redaktion von Ferdinand Avenarius (1887-1923) - streitet er in Aufsätzen, um die Baukunst vom Flitterkram zu säubern. Die "Kulturarbeiten", Band II, der "Garten", und sein Aufsatz über "Kirchen", jeweils von 1902, werfen sich gegen den traditionslosen Bauwahnsinn auf. Uns ist, beklagt Schultze, der lebendige Begriff des Gestaltens abhandengekommen. ".... Wenn unser Land nicht bald das rohe und freudlose Antlitz einer verkommenen Nation tragen soll, die den Sinn des Lebens zum Vegetieren entstellt," heißt es 1912 "Hausbau", "dann ist die Gestaltung der Form des Lebens in Stadt und Land unumgänglich." Den Weg in die Vortragssäle bahnen ihn zuförderst vier Publikationen:
Die zwei ersten weisen ihn als Kenner des Eigentlichen aus und das dritte und vierte sind ein Plädoyer für die Natürlichkeit und Zweckmäßigkeit. Er war also in Deutschland bekannt, gehörte zu jener kleinen Gruppe von Künstlern, die mit Ferdinand Avenarius (1856-1923) seit Jahren im "Kunstwart" für die künstlerische Erziehung des deutschen Volkes streiten. Ende der zwanziger Jahre wirft er sich erneut an die Front der Erzieher.
Die Wohnung als Übungsplatz In den "Kulturarbeiten", veröffentlicht im 1. Oktoberheft 1900 des "Kunstwarts" veröffentlicht, wendet er sich der Gestaltung der Wohnung zu. Es ist der einzige Ort, wo sich Durchschnittsmenschen künstlerisch betätigen. Es ist sozusagen ein Übungsplatz für das "künstlerische Kultur-Gewissen", wo sich die Entfremdung von Sachlichkeit, Vernunft und Logik austoben kann. Hier ist "der Mensch aufs Gestalten angewiesen" oder, schreibt Schultze-Naumburg, "jenes Versagen des einfachen Gefühls für Leben" zu registrieren. Was er gestaltet, dass ist die Kultur des Sichtbaren also die äußere Formgebung. Doch es sind oftmals "Sünden, die wir an unserem Haus begehen", weshalb die künstlerische Erziehung des Volkes und Erneuerung des ästhetischen Blicks im Sinne des Einfachen und der Ordnung dringend Not tut. Er verhilft der Architektur, wie 2003 Jordi Coll und Aurich und Simon Wiesmaier (23) hervorheben, der Ordnungslosigkeit des späten 19. Jahrhunderts zu einer Neudefinition. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert finden in der Fachwelt und bürgerlichen Kunstkritik die ästhetischen Arbeiten und kultkritischen Positionen von Schultze-Naumburg Anerkennung. Eine zeitlang gilt er in Fragen der Hauskompositionen, häuslichen Kunstpflege und geschmackvoll eingerichteten Wohnung als Vordenker einer bildungsbürgerlichen Reformbewegung. Die Kritiker der Grazer Kunstaustellung lobten 1900 das reizende und anregende Werkchen der "Häusliche(n) Kunstpflege" von 1899, wegen der zahlreichen guten Ratschläge und staunten, wie sich mit "mäßigen Kosten" die "Schönheit der häuslichen Umgebung steigern und ausgestalten" läßt. Paul Schultze Naumburgs
künstlerische Positionen und kunstpolitisches Ansinnen änderte
nach 1910 wesentlich. Eine (!)
Zäsur war 1927 der Austritt aus dem "Deutschen Werkbund".
Er bewegte sich aus einer kulturkonservativen Position langsam immer weiter
nach Rechts - in einer Mischung von Frustration, Rache und phantomhafter
Hoffnung auf einen anderen Staat (vgl. Übertritte zur NSDAP).
Saalecker Werkstätten
1900 erwirbt Paul Schultze Naumburg in Saaleck, erfahren wir 1929 von Ludwig Bartning, ein großes Grundstück mit Wald, an dem Ort, den er schon zehn Jahre vorher dazu ausgesucht hatte und wo im Jahr darauf, dass Haupthaus entsteht. Alles - Garten, Terrasse, Nebengebäude und Haus - nach Gutsherrenart gestaltet, verrät den Geist und die Lebensart des Bauherren. 1901 beruft ihn der Großherzog von Sachsen-Weimar zum Professor mit Lehrauftrag für Maltechnik an die Akademie in Weimar. Die einzige Anstellung, die er je erhalten habe, erläutert Ludwig Bartning (1929). Nach zwei Jahren musste er den Lehrauftrag niederlegen, weil ihn die Aufgaben als Architekten voll in Anspruch nehmen. Die aus Berlin fortgesetzt nach Saaleck übertragene Mal- und Zeichenschule, wandelt sich langsam in eine Schule für angewandte Kunst und diese wiederum zunächst in die "Schulwerkstätten Saaleck". Ihre Institutionalisierung erfolgt nach Norbert Borrmann (2004) um 1901. Am 11. Juni 1903 meldet der Vorwärts (Berlin), Paul Schultze-Naumburg verlegt seine Kunstschule von Berlin nach Saaleck. Es die Zeit, als das Gewerbe der Kunst- und Möbeltischlerei aufblühte. Da war die Möbelfabrik von Ferdinand Scheider Am Domplatz 1 und 20, wo der Naumburger seine Wünsche vortragen konntre. Empfehlenswert war ebenso eine Nachfrage in der Möbelfabrik von Gustav Kühn mit einer permanenten Ausstellung am Kaiser-Friedrich-Platz 1 oder bei Carl Neuber in der Michaelisstraße 91. Beide Firmen vertrieben vollständige Wohnungseinrichtungen und einzelne Möbel jeder Art. Zusammen mit seinem Freund Doktor Fritz Koegel, der die Geschäftsführung übernahm, etablieren sich ab 1. Juli 1904 unter seiner künstlerischen Leitung die Saalecker Werkstätten G.m.b.H.. Dabei sind außerdem der Maler Ludwig Bartning (1869-1956) dabei. Georg Tappert, ein Vertreter der modernen Malerei, nach 1933 von den Nationalsozialisten als "entartet" eingestuft und angegriffen, der hier von 1903-1904 Assistent war.
Zunächst stellten die Saalecker Werkstätten Möbel im Jugendstildesign her. Schultze-Naumburg zeichnete die Entwürfe. Die Ausführung übernahm ein Tischler vor Ort. Allerdings stellten ihn die Ergebnisse oft nicht zufrieden.
Laut Bartning (1929) erhielten die Werkstätten 1903 die ersten großen Bauaufträge. Registriert sind: die Bürgertöchterschule in Stadthagen, Wohnhaus auf Schloss Freudenberg, der Um- und Ausbau von Schloss Neudeck, die Arztpraxis von Dr. Richard Hesse in Sebnitz (Sachsen), ein Wohnhaus für J. Engelschall in Goslar und zwei Wohngebäude in Saaleck. Ebenso lief das Geschäft der Saalecker-Werlstätten, ermittelt 2004 Norbert Borrmann, übererwarten gut. Bis zum Krieg nimmt das Unternehmen mit Zweigniederlassungen in Berlin, Köln und Essen eine solide Entwicklung. 1910 umfasst es siebzig Beschäftigte, die Baumassnahmen ausführen, Gärten und Parks anlegen oder Inneneinrichtungen gestalten. Mittlerweile gliedert sich das Unternehmen in drei Bereiche. Der erste umfasst die Architekturabteilung. Der zweite befasst sich mit der Anlage von Gärten und Parks. Der dritte widmet sich der Inneneinrichtung. (Norbert Borrmann 1989) Saaleck verkörpert den Reformwillen Kunst und Handwerk zusammenzuführen. Es war ein Versuch, schreibt 2004 Norbert Borrmann, seine vielfältigen Reformbestrebungen zu institutionalisieren und unmittelbar in die Tat umzusetzen.
Umbau Gutsanlage Marienthal Paul Schultze-Naumburg war vor dem Ersten Weltkrieg bei einer elitären und besonders einer privilegierten Oberschicht, dem Großbürgertum und Adel, als Architekt gefragt. Unter anderen gestaltete und leitete er von 1912-1914 den Umbau Gutsanlage Marienthal.
Heimatschutzbund 1904 übernimmt Schultze-Naumburg auf Initiative des Botanikers Dr. Hugo Conwentz (1855-1922) und von dem durch die Vertonung der Eichendorff-Gedichte bekannten Musikprofessor Ernst Rudorff bis 1913 den Vorsitz im eben gegründeten Deutschen Bund Heimatschutz. Den Begriff "Heimatschutz" gebrauchte zum ersten Mal Ernst Rudorff (1840-1916) in "Die Grenzboten". Er richtet sich gegen die Profitgier und die Vergnügungssucht auf Kosten der Natur. Die Industrialisierung und Verstädterung wandelte das Mensch-Natur Verhältnis. Den rasant zunehmenden Verkehr, die Reklame und Maschinenwelt erlebten viele Menschen als Belastung.
Der Heimatschutzbund hat wesentlichen Anteil an der Institutionalisierung des Umwelt- und Naturschutzes-Gedankens und wendet sich gegen die Kulturwidrigkeiten des Städte- und Gartenbaus, der Architektur und Wohnkultur. Was wir an die Stelle des Alten setzen, kritisiert Schultze-Naumburg, ist nach Stil und Geschmack oft schlechter. Schablonenhafte Neubauten, verderbliche Zeug pflanzt sich als unerfreuliches, nichtssagendes Allerweltsschema in die Millionen- und Kleinstädten fort. Wir verlieren unsere Heimat!, warnt er. Am 26. Februar 1907 spricht der Erzieher des deutschen Kunst- und Kulturempfindens im Festsaal des Ingenieur- und Architektenvereins von Wien. Am Tag darauf lobt Die Zeit (Wien) seine "vortreffliche Methode", "seine Ideen durch Gegenüberstellung von Beispiel und Gegenbeispiel zu versinnbildlichen." Vermittels der in den zwanziger Jahren in den populären Volkshochschulen verankerten Deutschen Heimatschule diffundiert der Naturschutz - die Grünen Ideen - in die Gesellschaft. In Naumburg existiert seit Jahren ein National-politisches Kolleg mit 60 bis 70 Teilnehmern, bei dem Theodor Scheffer wiederholt Gastredner ist. (Vgl. Reimers)
Der Heimatschutzbund, ab 1937 Deutscher Heimatbund, vermiitelt der Öffentlichkeit zu Naturschutz und -pflege neues Problembewusstsein. Er gibt Anregung für das Naturschutzgesetz von 1935. Naturschutzgesetz, Reichstierschutzgesetz, Reichsjagdgesetz und das Gesetz gegen Waldverwüstung finden bei Hitlers Ministern Hermann Göring, Walter Darrè, Rudolf Heß und Fritz Todt eifrige Befürworter. Und Alwin Seifert (1890-1972), später Pionier der Bewegung Gärtner ohne Gift, ist für den Natur- und Umweltschutz beim Reichsautobahnbau zuständig. Das Naturschutzgesetz wird 1976 vom Bundesnaturschutzgesetz (Novellierung 1986) abgelöst.
Hofarchitekt des deutschen Kronprinzen Das bekanntestes und zugleich für ihn untypischstes Werk, erbaut im englischen Landhausstil, verkörpert Schloss Cäcilienhof bei Potsdam. Wilhelm II. gab es für das Kronprinzenpaar in Auftrag und es ist paradoxerweise heute noch das einzige, worauf 2018 Ralf-Peter Pinkwart hinweist. Das Kunstgewissen gegen den Vandalismus stellt sich mit dem Bau von Schloss Cäcilienhof als Hofarchitekt des deutschen Kronprinzen vor. 1945 halten im Ensemble am Jungfernsee die alliierten Siegermächte Gericht über Deutschland.
Kunst und Rasse (1928) Der "Kunsterzieher des deutschen Volkes", wie ihn das Neue Wiener Journal 1918 nennt, steht zehn Jahre später "in der Phalanx der Leute, die eine allzu sinnwidrige und einseitige Deutschtümelei" (Brattskoven) betreiben. Unter ihrer Fahne kämpft er für die Blut- und Bodenkultur. Doch der tiefgreifende Wandel der Werte und die Inhumanität des neuen, eben nationalsozialistischen Kulturpardigmas wird allgemein nicht erkannt. Um die Mitte der zwanziger Jahre, scheint sich ein Muster aus der Reform-Zeit zu wiederholen: eine beachtliche öffentliche Aufmerksamkeit, zunehmende Popularitätshascherei der Rasseidelogiepropheten und Auguren des heldischen Gedankens sowie viele Vortragsangebote. Und, was besonders auffällig, die Übertreibung - der Hype für Jedermann - um den V e r f a l l . Einst eine Kritik am kulturlosem Bauen, jetzt als Konzepts des "erbbiologischen Verfalls" (KuR 5) gegen das humanistische Bürgertum gerichtet, und politisch, etwas unter den Schein der Wissenschaftlichkeit der Rassentheorie verdeckt - der Kampf gegen die Sozialisten, Anarchisten und Kommunisten. Zugleich war es ein Angebot an das Segment des sensationslüsternen Publikums, das von der eigentlichen Rassentheorie nichts verstand. Musste es auch nicht. Immer ging es der nationalistischen Führung immer vorrangig um die Entfaltung des Rassebewusstseins. Dafür fütterte man sie mit den entsprechenden Erzählungen über die "Nordische Schönheit. Ihr Wunschbild im Leben und in der Kunst" (10/11), wie die Folgende: Die "germanischen Völker" merzten (angeblich) "Verkrüppelte, Feige, Faule und Schädlinge verschiedener Art" aus, weil " . körperlich Behinderte infolge der täglichen harten Anforderungen des Alltags überhaupt nicht mitkommen" konnten. " sie verkamen, wodurch ihr Volk vor der Vererbung ungeeigneten Erbgutes geschützt wurde". Das "artfremde Christentum" hat mit der Lehre von der "Gleichheit aller Menschen", Weltentsagung und Jenseits die "sittlichen Grundgedankens des Germanentums" zerstört. Früh wird beim Autor von Kunst und Rasse (1928) eine Vorliebe für das Eigentliche, Normale und Natürliche und die Distanz zur experimentellen Kunst und dem Impressionismus sichtbar. Sein Hang zum Deutschtum, koppelt an den aufkommenden politischen Germanenkult und die Rassenideologie an. Mit der Schrift Kunst und Rasse (= KuR) zieht 1928 Schultze-Naumburg die
Die Rolle der Erbanlagen wurde verkannt und die Erziehung, überschätzte worauf "letzten Endes auch die marxistische Einstellung beruht." (KuR 136) Diesen Irrtümern des 19. Jahrhunderts stellt er entgegen: Nicht die Umwelt prägt die Kunst, sondern die Rassen und der Boden. Man drängte auf Tempo, indem die Angst gestreut, dass das Rassegefühl eben gerade verloren geht (KuR 102). Es sind schlicht, was lange, bemessen an den Tempi der konkreten sozialen Zeit, unbeachtet blieb oder politisch unterschätzt wurde, die Elemente der nationalsozialistischen Kultur- und Kunstpolitik. Über ein Netzwerk von agilen rasseideologischen Akteuren, die nicht unbedingt der NSDAP angehören mussten, schwappt das neue Kulturparadigma in die geistigen Zentren der nationalsozialistischen Bewegung. Andererseits verkannte die Allgemeinheit, die tiefe- und kulturpolitische Langzeitwirkung des neuen Dogmas von "Kultur und Rasse". Noch ist aber in unserem Volk genügend heldisches Blut, "weshalb es aus seinen innersten Wesen heraus die Frage stellen kann: "wie kann ich dieses Schicksal wenden?" (KuR 103) Die Antwort von Schultze-Naumburg lautet:
Das ist die geitige Wende zur nationalsozialistischen Kulturpolitik.
Dominanz, Abgeschlossenheit und Hierarchie
Weil er nicht ablassen kann von "Idyllen, von Ordnung und Harmonie im baulich-räumlichen, künstlerischen und persönlichen Bereich", nimmt er der Wende zum Neuen Bauen nicht teil. Typisierung und industrielle Vervielfältigung hält er mit einem individuellen Stil unvereinbar. Immer stärker trat die Orientierung nach Dominanz, Abgeschlossenheit, Hierarchie und altem ständischen Leben hervor (Pinkwart). Er scherte nicht allein wegen ästhetischer und technischer Fragen aus der Bau-Reform aus. Ihn kümmerte der Arbeiterwohnungsbau und die Bedürfnisse des kleinen Mittelstandes wenig. Und seinen Reformanspruch hübschte er mit viel Reklame auf. Ansonsten wiesen seine Entwürfe, analysiert 1932 Paul Westheim, viel Neo-Barock und Neo-Biedermeier auf. Ziemlich flach alles, die Dächer ausgenommen. Es war eben der Stil der liberalen Oberschicht, gewisser Aristokratenkreise und reicher Juden. "Viel Geld hatte man, aber wenig Haltung." Und die Innenräume? "Das gibt es Damenzimmer, in Genre des Louis seize. Speisezimmer in der Art Chippendale oder Quen Anne. Ein Mädchenzimmer mit englischem Cretonne oder englischem Cretonne nachgemachter Alkovenbespannung. Sehr völkische mutet das nicht an, auch nicht sehr eigen oder gar schöpferisch."
Die von ihn bevorzugten puristischen Formen gehören einer vergangenen Zeit an. Villa Ithaka in Weimar - 1906/07, Neobarock mit Steildach, Biberschwanzdeckung, Kalkmörtelputz, mit vor der Hauptfront angesetztem wuchtigem zweigeschossigem Turm - können nicht ernstlich mit den Bauten eines Henry Clemens van de Velde (1863-1957) oder Walter Gropius (1883-1969) konkurrieren. Adolf Behne (1885-1948) spricht 1930 von Hakenkreuz-Ästhetik.
Der Block Die zwischen zwei Bahnhöfen an der Strecke gelegenen Stell- und Zugmeldeposten - für den sicheren Fahrbetrieb des Zugverkehrs unerlässlich, bezeichnet man als Block. Der von Paul Schultze-Naumburg 1928 in Saaleck gegründte Block sichert mit dem Zusammenschluss konservativer Architekten den Kulturbetrieb auf die ideologischen Höhen der Rassen- und Elitetheorie. Öfter künden rauschende Feste weithinein ins Saaletal von der Hochstimmung der NSDAP-Prominenz in der Villa auf dem Felsen. Walter Darré (1895-1953), später
arbeitet während seines Aufenthaltes in Saaleck, wahrscheinlich vom 4. Januar bis 2. Juni 1930, am programmatischen Buch Neuadel aus Blut und Boden (München 1930). (Vgl. Norbert Borrmann 2004) Es macht ihn in Deutschland weithin bekannt. Seine Idee der Hegehöfe führt direkt zur NS-Erbhofgesetzgebung. Hitler beauftragt den Diplomkolonialwirt durch Vermittlung von Schultze-Naumburg am 6. März 1930 mit der Ausarbeitung eines Agrarprogramms für die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Als Reichsernährungsminister stattet er mit seiner Gattin am 20. Oktober 1933 Naumburg und Umgebung einen Besuch ab.
Kampfbund für
deutsche Kultur (KfdK)
Aus vielen Versammlungen und Vereinigungen dringt das Gejammer über den Niedergang der deutschen Kultur und vom Verlust ihrer Weltgeltung. Lauter und lauter erhebt sich das Geschrei um die Nackten im Theater, den Perversitäten in den Varietés und über die Schwulenzeitschrift von Magnus Hirschfeld (1868-1935). In der Gesellschaft verstärken sich die antiliberalen und -humanen Tendenzen, erste Vorbote des Kulturkampfes [1, 2], den die Deutschnationalen und Nationalsozialisten etwa ab 1929 anfachen. Noch widersteht die liberale Front den Angriffen auf die Freiheit der Presse und öffentliche Meinung. Aber die Gegenbewegung aus Nationalsozialisten, Deutschnationalen, Deutschvölkischen, Alldeutschen und Philistern wird immer stärker. Die "Nationalsozialistische Gesellschaft für deutsche Kultur" tritt am 20. April 1929 in Berlin als
an die Öffentlichkeit. Im März 1930 bildet sich auf Initiative der Deutschen Kunstgesellschaft Dresden in Weimar ein Führer-Rat der vereinigten Deutschen Kunst- und Kulturverbände. Siebzehn selbstständige Organisationen schließen sich zum Kampfbund für deutsche Kultur zusammen. Der Führer-Rat gibt die Zeitschrift Bildkunst heraus. Ihre wichtigsten Mitarbeiter, die gegen den Kulturbolschewismus trommeln, sind Paul Schultze-Naumburg, Alfred Rosenberg, Hans F. K. Günther und der Karlsruher Professor Hans Adolf Blüher. (Vgl. Brenner 19)
Leiter der Vereinigten Kunstlehranstalten in Weimar 1929 wird er als Abgeordneter der nationalsozialistischen Partei Thüringens in den Reichstag gewählt. Im Ergebnis der Wahlen zum Thüringer Landtag konstituiert sich eine rechtsbürgerlich-nationalsozialistische Koalitionsregierung aus der NSDAP, Wirtschaftspartei, Deutschnationaler Volkspartei, Deutschen Volkspartei und dem Thüringer Landbund. Der Vorsitzende des Thüringischen Staatsministeriums und Finanzminister Erwin Baum (1868-1950) ernennt
Am 12. März 1934 ehelicht er die Geschiedene Margarete Schultze-Naumburg (1896-1960).
Fricks Ministerium in Weimar attackiert alle fremdrassigen kulturellen Einflüsse, "die die sittlichen Kräfte des deutschen Volkstums" unterwühlen und alles was "dem deutschen Kulturempfinden ins Gesicht" schlägt. Dazu rechnen Jazz- und Schlagzeug-Musik, Negertänze, Negergesänge oder Negerstücke. Ein typischer Akt der Kultur- und Kunstpolitik unter Frick war der Erlaß IV C II/771, Nr. 53
der am 22. April 1930 im Amtsblatt des Thüringischen Ministeriums für Volksbildung veröffentlicht wurde. Die Stadt Naumburg fasste bereits 1928 einen ähnlichen Beschluss. Wilhelm Frick führt den Kampf gegen die heimtückische Propaganda des Judentums für die Abtreibung der Leibesfrucht und die "Zersetzung und Entartung" von Kunst und Kultur (Frick 29.3.1930). "Größtes Aufsehen erregte", dass er der thüringischen
Im zweiten Teil des Erlasses gibt der Minister bekannt, dass die "seit 1. April 1930 von Professor Schultze-Naumburg geleiteten
in Weimar" "richtungsgebend und zu einem Mittelpunkt deutscher Kultur werden" sollen. Am 8. Februar 1930 verbietet das thüringische Staatsministerium für Inneres und Volksbildung in den Schulen die Verwendung von Erich Maria Remarques Roman "Im Westen nichts Neues". Wilhelm Frick (1877-1946)
ernennt am 1. April 1930 Paul Schultze-Naumburg zum Direktor der Vereinigten
staatlichen Lehranstalten Paul Schultze-Naumburg beruft im Juli 1930 Walter Hege (1893-1955) aus Naumburg zum Leiter der Abteilung Lichtbildkunst.
Kunst-Diskussion im Nazi-Format
Am 5. März 1931 spricht der Frick-Professor im Konzertsaal des Katholischen Kasinos München. Fünfhundert Zuhörer erleben eine Kunst-Diskussion im Nazi-Format. Einige glaubten, wie früher üblich, gelegentlich einen inhaltlichen Zwischenruf an den Vortragenden richten zu dürfen. "Da kam sie aber schön an", erhitzt sich der "Vorwärts" (Berlin). Sofort fielen nicht uniformierte SS-Leute, der Saalschutz, über den ersten Zwischenrufer her, den Maler Maler Wolf Panizza (1901-1977). Er musste mit schweren Verletzungen aus dem Saal getragen werden. Der "Kampf um die deutsche Kunst", so lautete das Thema von Paul Schultze-Naumburg, begann in München mit Schlagringen, Fäusten und Fußtritten.
Propagandatätigkeit Am 1. April 1931 entzog der Thüringische Landtag dem Staatsminister für Inneres und Volksbildung Frick das Vertrauen. Nach dem
setzen die Anhänger der nationalsozialistischen Kulturpolitik auf den Rosenbergschen Kampfbund für deutsche Kultur (KfdK). Die aus den Ämtern entlassenen völkisch-nationalen Wortführer H. S. Ziegler, Rassendogmatiker Hanno Konopath und Hans F. K. Günther unternehmen nach dem Beispiel von Alfred Rosenberg und der Baubolschewismus-Redner ausgedehnte Propagandareisen. Die Zahl der Mitglieder und Anhänger des KfdK wächst. Aufgrund des Zuspruchs wird der Vortrag am 30. Januar 1931 von Schultze-Naumburgs über Der Kampf um die Kunst im Auditorium der Technischen Hochschule München einen Monat später im Theatersaal des Hotels Union wiederholt.
Paul Schultze-Naumburg ist Mitglied des Sachverständigenbeirats für Bevölkerungs- und Rassenpolitik. Sein Vorsitzender Hans Friedrich Karl Günther (1891-1968), seit 1930 Professor für Sozialanthropologie an der Universität Jena, berechnete, dass 52 Prozent der deutschen Bevölkerung nicht der nordischen Rasse zugehörig und damit minder erwünscht seien. Er wirkte in den 20er Jahre nicht nur als Rassenideologe. In seiner Schrift "Ritter Tod und Teufel" von 1920 propagierte er den heldischen Gedanken, der eine enorme kulturelle und ideologische Breitenwirkung entfaltete.
1933 verlegt der 64-jährige Schultze-Naumburg seinen Wohnsitz von Saaleck nach Weimar. Zwischen Schultze-Naumburg und Hitler kommt es 1935 aus Anlass des Umbaus der Nürnberger Oper zum Zerwürfnis.
Im Völkischen Beobachter, Wiener Ausgabe, erscheint am 1. Mai 1938 die Nachricht über den Bau der Nietzsche-Halle in Weimar, die nach den Plänen von Paul Schultze-Naumburg errichtet werden soll. Der Führer spendete hierfür den Grundstock von 50 000 Reichsmark.
Paul Schultze-Naumburg stirbt am 19. Mai 1949 in Jena.
Wir wollen die Werte des Humanismus bewahren und sie an die nachfolgenden Generationen verbessert übergeben. Wie uns das Werk von Paul Schultze-Naumburg dabei helfen kann, vermag ich nicht zu erkennen, denn es ist von Rassismus, Kulturchauvinismus, Intoleranz und überheblichen Nationalismus durchsetzt. Der Vergessenheit muss er nicht anheimfallen. Wer uns vor nutzlosen Wegen warnt, sagt Heinrich Heine, leistet uns einen ebenso guten Dienst wie derjenige, der uns den rechten Weg anzeigt.
Agthe, Kai: Als passionierter Radfahrer die Strecke Weimar-Jena vorzugsweise mit dem Drahtesel absolvierte. [Über die Tätigkeit von Fritz Koegel (1860-1904) in Naumburg und Saaleck]. In: Burgenland-Journal 1997 (Jahreszahl ist auf der Kopie nicht lesbar.] Aurich, Jordi Coll, Simon Wiesmaier: Paul Schultze-Naumburg und seine Zeit. Technische Universität Berlin, Architektur, Umwelt und Gesellschaft, Fachgebiet für Architekturtheorie. Der junge Corbousier und der Städtebau. Seminar bei Dr. Christoph Schnoor. Abgabe am 22. April 2003 Bartning, Ludwig: Paul Schultze-Naumburg. Ein Pionier der deutschen Kulturarbeit. Verlag Georg D.W. Callwey, München 1929 Bauer, Erwin, Eugen Fischer, Fritz Lenz: Grundriß der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene. 4. Auflage, 1932 Behne, Adolf: Karl Scheffler und das Kronprinzenpalais. Die Weltbühne. XXVI. Jahrgang, Nummer 24, 10. Juni 1930, Seite 882 bis 883 Behr, Adelbert: Die Bauhochschule Weimar 1926-1930. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur Weimar. 26. Jahrgang, 1979, Heft 4/5, Seite 382ff. [Berufung] Anonym: Paul Schultze-Naumburg [zur Berufung als Leiter der "Vereinigten staatlichen Lehranstalten für Kunst und Handwerk"]. In: Mitteilungen des Kampfbundes für deutsche Kultur. München 2 (1930) Nr. 4/5, April / Mai 1930, Seite 35-36 (3-4). In: Quellen zur Geschichte Thüringens Kultur in Thüringen 1919-1949. "Wir aber müssen eine Welt zum Tönen bringen ". Herausgegeben Thomas Neumann. Gutenberg Druckerei GmbH Weimar, Weimar 1998, Seite 141 bis 143 Borrmann, Norbert: Paul Schultze-Naumburg (1869-1949). Verlag Richard Bacht GmbH, Essen 1989 Borrmann, Norbert: Paul Schultze-Naumburg, die "Saalecker Werkstätten" und der Saalecker Kreis. In: Deutsche Erinnerungslandschaften. Rudelsburg - Saaleck - Kyffhäuser, Heimatbund Thüringen e.V., Landesheimatbund Sachsen-Anhalt, Halle 2004, Seite 73 ff. Brattskoven, Dr. Otto: Ein Reformator von gestern. "Arbeiterwille. Organ des arbeitenden Volkes für Steiermark und Kärnten". Graz, den 9. Juni 1929 Brenner, Hildegard: Kunst im politischen Machtkampf. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte. Jahrgang 19, Heft 1, München 1962, Seite 17 bis 42 Brenner, Hildegard: Die Kunstpolitik des Nationalsozialismus. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1963 Darré, Richard Walter: Das Bauerntum als Lebensquell der Nordischen Rasse, München 1929 Darré, Richard Walter: Neuadel aus Blut Boden. J. R. Lehmann Verlag, München 1930 [DT, Deutsche Tag] "... und im Unglück nun erst recht! Deutscher Tag in Halle". "Saale-Zeitung. Hallesche Neueste-Nachrichten - Handelsblatt für Mitteldeutschland. Halle, den 11. Mai 1924 [Sonderausgabe zum Deutschen Tag in Halle 1924] Deutsche Erinnerungslandschaften. Rudelsburg - Saaleck - Kyffhäuser, Heimatbund Thüringen e.V., Teil 1.: Rudelsburg - Saaleck - Kyffhäuser. Protokollband der wissenschaftlichen Tagungen vom 14. bis 6. Juni 2002 in Bad Kösen und 13. bis 15. Juni 2003 in Bad Frankenhausen. Redaktion Annette Schneider Justus H. Ulbricht. Landesheimatbund Sachsen-Anhalt, Dößl, Stekovics, Halle 2004 Fabricius, Hans: Dr. Frick. Ein Lebensbild des Reichsministers des Inneren. Junker und Dünnhaupt Verlag, Berlin 1938 Fabricius, Hans: Unsere Stellung zur Hausbesitzerfrage und zum Berufsbeamtentum. [Referat auf Einladung der NSDAP-Ortsgruppe]. Ratskeller von Naumburg, 22. Juli 1932 Gutschow, Kai.K.: THE ANTI-MEDITERRANEAN. THE LITERATURE OF MODERN ARCHITECTURE. Paul Schultze-Namburg`s Kulturarbeiten. In: MODERN ARCHITECTURE AND THE MEDITERRANEAN. VERNACULAR DIALOGUES AND CONTESTED IDENTITIES. Edited bei Jean-Francois Lejeubne and Michelangelo Sabatino. 2010, Seite 149 bis 272 Günther, Hans F. K: Ritter, Tod und Teufel. Der heldische Gedanke. J. F. Lehmann Verlag. München 1935, Erstausgabe 1920 Günther, Hans F. K: Rassenkunde des deutschen Volkes. J. F. Lehmann, München 1922 440 Seiten, 3. umgearbeitete Auflage, 514 Seiten, 1923; 6., umgearb. Auflage 504 Seiten, 1924; 9., umgearb. Auflage, 504 Seiten, 1926; Günther, Hans
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NSDAP. In: Deutscher Werkbund Nordrhein-Westfalen. www.deutscher-werkbund.de.
Newsletter. Ohne Jahresangabe Traub, Gottfried: Der Geisterkampf der Gegenwart. Rede auf dem DNVP Parteitag in Stettin. [10. Reichsparteitag der Deutschnationalen Volkspartei am 20. September 1931 in der Messehalle Stettin] Druck- und Verlagshaus, München 1932 Westheim, Paul: Der zeitgebundene Schultze-Naumburg. In: Das Tagebuch. Heft 31, 1932, Seite 1190 ff.
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