Domgymnasium
Naumburg
Eugen
Diederichs (1867-1930) aus Jena, Herausgeber der Monatsschrift Die
Tat (1913)
und Mentor des Serakreises, schreibt 1927 an die Domschule Naumburg,
dass er dem Domgymnasium die Grundlagen seiner geistigen Persönlichkeit
verdankt. Dabei
war er kein Musterschüler. "Ich war," notiert der Verleger
über sich 1927 (8), "kein tatkräftiger Junge, ganz
verträumt und daher auch kein fleissiger Schüler. Zweimal blieb
ich Sitzen, brauchte vor der Versetzung in der Regel Nachhilfestunden
und kam meistens als Letzter mit."
Ein
anderer ehemaliger Schüler, der königlich preußische Finanzminister
Oskar Hergt (1869-1967), Abgang 1887, teilt am 11. August 1917
Professor Flemming in Naumburg (Saale) mit:
"Was ich im
Leben habe erreichen können, verdanke ich nicht zum wenigsten dem
geistigen Rüstzeuge, mit dem ich auf der von Ihnen geleiteten Bildungsstätte
ausgestattet worden bin, und den Anregungen, die mir die Kameradschaft
mit einer großen Zahl von tüchtigen Altersgenossen gegeben
hat."
Der Konservative war
bis 1924 Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei und stand der
parlamentarischen Demokratie ablehnend gegenüber (vgl. Hofmann
166 f.).
Mit dem Zeugnis
der Reife der Königlichen Prüfungs-Kommission verlässt
Walter Model (1991, 380) am 24. Februar 1909 das Domgymnasium um
Offizier zu werden. Aus ihm wird ein Weltanschauungskrieger
und treuer Hitler-Anhänger. Noch
Ende März 1945 will er als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B "mit
mathematischer Sicherheit siegen".
Drei Absolventen der
Domschule Naumburg: Eugen Diederichs (1, 2, 3, 4, 5, 6,
7, 8,
9,
10,
11) Oskar
Hergt (1, 2, 3, 4, 5, 6)
und Walter Modell, die mit ihrer Schul- und Berufslaufbahn typisches ihrer
Zeit verkörpern und uns in wichtigen Momenten der Stadtgeschichte
wieder begegnen.
 |
Karte von
Eugen Diederichs an die
Domschule Naumburg.
Quelle: Archiv der Vereinigten Domstifter zu Merseburg
und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz
Weitere interessante Details im Aufsatz: Erich
Viehöfer: Der Verleger Eugen Diederichs und Naumburg".
Saale-Unstrut-Jahrbuch, 3 (1998),
Naumburg 1998, Seite 94-104
|
Am
31. August 1930 feierte
das Naumburger Domgymnasium seinen 900. Jahrestag. Es ist eine
Traditionsschule, wie sie im Buche steht. Im Jahre 1030 als bischöfliche
Lateinschule für künftige Kleriker gegründet
.
(Kirsche) Unter
dem Reformdruck der Nachkriegsjahre kämpft die Schule um ihr überleben.
Am 11. Mai 1920 finden in den Räumen des Domkapitels Verhandlungen
über ihre schwierige finanzielle Lage statt. Weil die Stadt nicht
die notwendigen Zuschüsse aufbringen kann, soll Ostern 1921 mit dem
Abbau der Schule begonnen werden. Zur Abwendung dieser Gefahr verfasst
Lehrer Karl Hedicke ein Positionspapier, wo er feststellt:
"Die gute
Haltung der Schüler ist überall anerkannt. Vergehen gegen
die Disziplin sind selten ...."
Sie stammen "aus
den Kreisen der geistlichen, Beamten und Rechtsanwälte, der Ärzte
und Lehrer, der Gutsbesitzer und Fabrikanten, für die alle das Domgymnasium
als humanistische Anstalt allein in Betracht kommt." Ganz ähnlich
äussert sich dazu 2006 Hans Gert Kirsche:
"Die Schülerpopulation
.... war ähnlich zusammengesetzt wie an der Encke-Schule. Es
kamen allenfalls noch ein paar Auswärtige aus der ländlichen
Umgebung dazu: Söhne von Pfarrern, Landärzten, Gutsbesitzern."
Ebenso interessant,
wie er die Konkurrenz zu anderen Schulen der Stadt wahrnahm:
"Selbstverständlich
blickten wir auf unsere Mitschüler vom städtischen Realgymnasium
mit ihren roten Mützen im Vollgefühl unserer Überlegenheit
herab, obwohl die sogar auch einen Latein-Zweig hatten. Aber was waren
schon die paar Jährchen, die diese neumodische Konkurrenz aufzuweisen
hatte, gegen 900 Jahre und gegen Griechisch? Immerhin blieben diese
(gegenseitigen) Animositäten meist unartikuliert, zu Handgreiflichkeiten
kam es nie. (Kirsche 2006)
Durch einen Wegfall
der Schule könnte, warnt der Lehrer Hedicke 1920 in seinem Positionspapier,
die Umgebung bestimmten Schaden nehmen. Städte und Ortschaften wie
Weißenfels, Bad Kösen, Camburg, Eckartsberga, Freiburg, Laucha
und Bibra und Osterfeld zogen mindestens seit der Reformationszeit ihren
Vorteil aus der Tätigkeit der Schule. Im langjährigen Durchschnitt
sind etwa ein Drittel der Schüler von auswärts. Die Gesamtschülerzahl
beträgt 1917/18: 194 und 1920/21: 240.
Übersicht
Schülerzahlen Domgymnasium Naumburg
|
Schuljahr
|
Zahl
der Sextaner
|
Zahl
der Abiturienten
|
Einheimische
|
Auswärtige
|
Gesamtzahl
|
aus
UII. abgegangen
|
|
|
|
|
|
|
|
1895/96
|
32
|
15
|
158
|
85
|
244
|
3
|
1901/01
|
37
|
11
|
169
|
99
|
268
|
3
|
1913/14
|
21
|
22
|
127
|
95
|
222
|
1
|
1917/18
|
42
|
10
|
108
|
86
|
194
|
0
|
1919/20
|
37
|
15
|
134
|
102
|
236
|
3
|
Anmerkung:
Die Zahlenangabe für 1920 von Karl Hedicke (oben) und dieser
Tabelle weichen geringfügig voreinander ab.
|
"Naumburg",
argumentiert Karl Hedicke weiter gegen die geplante Schulschliessung,
ist in erster Linie Juristen- und Beamtenstadt." Und die Bildung
dieser Kreise beruht im Wesentlichen auf dem Besuch des humanistischen
Gymnasiums. Sie schätzen es, zumal bereits mehrere Generationen Naumburger
Familien die Schule absolvierten. Deshalb muss das Domgymnasium weiter
bestehen bleiben.
Erinnerungsarbeit
Hans-Gert
Kirsche, um 1930:
"Das
große Schulfest im Spätsommer wurde weit draußen
im Buchholz gefeiert, auf der großen Festwiese beim "Waldschloß"
an der Neidschützer Straße, auch das eine Tradition
einer an Traditionen reichen Schule, aber im Verlauf nicht so
viel anders als anderswo. Erst Sportwettkämpfe der Klassen,
ein Handballspiel, Kaffeetafel mit den Eltern und etwaigen Geschwistern,
Turn- und Gymnastikvor-führungen auf der Wiese, Theateraufführung
der Primaner, Preisverleihung und Siegerehrung. Etwas Besonderes
war nur der Abschluss am Abend. Da zogen wir alle mit brennenden
Pechfackeln bewehrt in langem Zug wieder in die Stadt hinunter,
die Musikkapelle voran. .....
Hans-Gert
Kirsche
|
Trotz
schwacher Kriegsjahrgänge, trotz Anfeindungen in der Systemzeit hat
sich das Domgymnasium seine Schülerzahl in der Zeit von 1918 bis
heute auf gleicher Höhe erhalten, heißt es im Schuljahresbericht
1934/35. Von den 180 Jungen, die 1934 das neue Schuljahr am Domgymnasium
beginnen, beenden es 177.
Bereits
1930 bezeichnete Wilhelm Schwencke (Naumburg, SPD) die Schule als
"nationalsozialistisch
verseucht".
Hier
formierte sich eine Gruppe
des Nationalsozialistischen Schülerbundes.
Im Schuljahr1933/34
treten die Schüler verstärkt den nationalen Verbänden
bei: 21 der SA und SS, 38 der HJ, 77 dem JV (Jungvolk)
und 100 dem VDA (Verein für das Deutschtum im Ausland). (vgl. Kaiser
1933/34)
|
|
Führer
Anteil in Prozent
|
Klasse
3
|
21
|
Klasse
4
|
27
|
Klasse
5
|
84
|
Klasse
6
|
59
|
Klasse
7
|
67
|
Klasse
8
|
50
|
Bericht
über das Schuljahr 1938/39 am Domgymnasium Naumburg
(Saale), Archiv der Vereinigten Domstifter zu Merseburg
und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz
|
|
1938/39
gehören die Domschüler praktisch geschlossen der HJ beziehungsweise
dem JV an. Viele von ihnen übernehmen in diesen Organisationen
Führungsaufgaben. Zum
NSDAP-Parteitag vom 1. bis 4. September 1933 werden sechs Schüler
als HJ-Mitglied beurlaubt und zur Führertagung des Stahlhelms in
Hannover am 23. September 1933 werden acht Schüler delegiert. Für
die Erfüllung derartiger außerschulischer Aufgaben benötigen
dies Schüler im Durchschnitt zehn Stunden pro Woche. In
den höheren Klassen geht es noch weit darüber hinaus.
"Der dadurch
bedingte Zeit- und Kraftverlust musste sich entsprechend in der Mitarbeit
und den Leistungen bemerkbar machen,"
heißt
es im Schuljahresbericht des Domgymnasiums 1938/39. Außerdem nehmen
etwa 20 Prozent der Schüler an politischen Schulungskursen teil,
die ganz oder teilweise in die Unterrichtszeit fielen. Der dadurch bedingte
Unterrichtsausfall betraf durchschnittlich acht Tage im Schuljahr.
Zumindest einen Teil
der Kinder und Jugendlichen hielt die Politisierung des Schulbetriebs
vom Lernen ab.
Von ganz wenigen Ausnahmen
abgesehen, bemühten sich die Schüler, eifrig und mit gutem Pflichtbewusstsein
den Anforderungen gerecht zu werden. In oberen Klassen stand die häusliche
Arbeit unter erheblichem Zeitmangel, die besonders solche Schüler
betraf, die sich als Hitlerjugend-Führer betätigen oder besonderen
Aufgaben, wie Segelfliegen oder Musik zuwandten.
Zu
Michaelis 1935 gab es einen ganz neuen Stundenplan. Denn inzwischen
war der Sonnabend zum Staatsjugendtag erklärt
worden, der grundsätzlich unterrichtsfrei blieb, weil an
diesem Wochentag alle Jungvolk- und Hitlerjugendmitglieder Dienst
hatten. Wir anderen - das war zunächst noch etwa ein Drittel
der Klasse - mussten dennoch in der Schule erscheinen, wo wir
ein oder zwei Stunden nationalpolitischen Unterricht
erhielten, gelegentlich wohl auch den Schulhof säubern oder
ein Ballspiel veranstalten durften. Den nationalpolitischen Unterricht,
der keine Spuren in meinem Gedächtnis hinterlassen hat (mit
Gewißheit das übliche Bla-Bla über die schicksalhafte
Wende in der Geschichte des deutschen Volkes, die Sendung des
arischen deutschen Menschen in der Welt und die große Aufgabe,
unserem geliebten Führer bei der nationalsozialistischen
Neuwerdung des Reiches zu helfen), erteilte uns, in zackiger SA-Uniform,
Studienrat Dr. Rudolph, bei dem wir sonst keinen Unterricht hatten.
Er war mit meinem Vater in eine Klasse gegangen und schon als
Schüler ein unerträglicher Streber gewesen. Ein waschechter
Nazi war er wohl nicht, aber er wusste, wie man vorankommt. Prompt
wurde er zwei Jahre später Direktor des Domgymnasiums in
Merseburg.
(Kirsche
2006)
|
Nicht wenige Schüler
äussern auf diese oder jene Weise ihren Unmut über den sinnlosen
Drill mit den alten Sprachen und der damit zwangsläufig verbundenen
Zurücksetzung der naturwissenschaftlichen Fächer. Die Klasse
6 erhielt im Schuljahr 1938/39 190 Stunden Unterricht in Griechisch, 75
in Französisch und 151 in Latein; in Mathematik waren es hingegen
nur 114 Stunden. An die Modernisierung der Schule bestanden unterschiedliche
Erwartungen,
wie es in einem Brief des Direktors vom 27. April 1940 zum Ausdruck
kommt:
"Richard
[Name geändert - D.B.]
. ist durchaus kein schlechter
Schüler. Er ist sogar recht gut begabt, geistig regsam, hat grosses
Interesse für Biologie und alle technischen Dinge, nicht vom
rein praktischen Standpunkt, sondern aus Streben nach wirklicher Erkenntnis.
Er hat sich aber in eine Abneigung gegen die alten Sprachen hineingearbeitet.
Einmal interessieren sie ihn wenig, und zweitens hat sein Vater in
wenig pädagogischer Weise sie ihm als für seine Ausbildung
unnötig hingestellt. Der Vater, der bekannte
. der jetzt
in Naumburg eine große Werkstatt für Holzarbeiten hat,
ist ein eigenartiger Mensch und seine Kinder haben viel von ihm geerbt.
Sie sind eigenwillig, in gewisser Weise empfindlich und lehnen sich
gegen Zwang auf. Diese Anlagen sind durch die Behandlung des Vaters
noch gesteigert worden. Im Elternhaus haben sie sehr viel Anregungen
und hörten oft Dinge, die noch über ihren Horizont gehen.
Dadurch ist besonders bei den Ältesten ein gewisser geistiger
Hochmut erzeugt; er hat das Gefühl, nur das tun zu müssen,
was ihn innerlich interessiert und der Sinn für diszipliniertes
Arbeiten ist ihm abhanden gekommen oder noch nicht geweckt. Da ihm
seine Klasse nicht passte, hat er es, wie mir die Mutter gestern sagte,
darauf abgelegt, sitzen zu bleiben und dazu natürlich besonders
die alten Sprachen benutzt."
Christian
Wilhelm Flemming,
Anstaltsleiter
(1909-1912) und Lehrer, geboren am 14. Januar 1854, evangelisch,
Sohn eines Gasthofbesitzers in Neuflemmingen (bei Naumburg), Reifezeugnis
vom Domgymnasium Naumburg am 21. März 1873, 1. April
1879 Dienstpflicht als Einjähriger-Freiwilliger in Erfurt,
Leutnant der Reserve 11. Dezember 1880, 28. Januar 1878
erste Lehrerprüfung in Latein und Griechisch, Deutsch bis
Oberstufe II, 9. Mai 1885 bis Oberstufe I, Beginn des Probejahrs
Ostern 1879 mit einem Jahresgehalt von 1500 Mark, Beginn
der Anstellung 1. April 1880, Charakterisierung als Professor
vom 24. Juni 1899, Verleihung des Rates IV. Ranges am 10. August
1894, Oberlehrer seit 1. Oktober 1892, stellvertretender
Direktor seit 28. Juni 1909, Heirat am 15. Mai 1880,
zwei Kinder.
Vgl. Christian
Wilhelm Flemming
|
Im
Curriculum unterscheidet sich die Schule deutlich von vergleichbaren anderen
Einrichtungen. Die künstlerische und literarische Bildung erhält
am Domgymnasium im Vergleich zu Wehrertüchtigung, Sport, Geländespielen
und Sportwettkämpfen an der NAPOLA eine deutlich höhere Gewichtung.
Gemeinsam ist der nationalsozialistischen Schule aber, dass
sie auf drei Grundpfeilern Deutsch, Geschichte und Biologie
beruht. (Vgl. Auf dem Wege 1936)
Die
Haltung der Lehrer des Domgymnasiums zum Nationalsozialismus stellt sich
unterschiedlich dar. Studienassessor Anz wird im Mai 1934 an die NAPOLA
Klosterschule Ilfeld berufen. Studienassessor Seele nimmt vom 4. bis
7. November 1934 an einem Lehrgang für Vererbungslehre im Lager
Lützen teil. Studienrat Berger ist für die Zeit des Reichsparteitages
der NSDAP in Nürnberg im September 1934 vom Unterricht beurlaubt.
Schüler sind zu Führerlehrgängen der Hitlerjugend (HJ),
Presse-Sonderlehrgängen, Gebietsführerschulungen der HJ, Luftschutzlehrgängen
oder auch zum Reichsparteitag in Nürnberg freigestellt. (Vgl. Domschule
Mai 1935)
Im
Herbst 1937 wird der Bund der alten Domschüler dem Kreisring
der NSDAP angeschlossen. (Vgl. BND NB 1938)
Am 15. Oktober
1932 ereilt den Schulleiter ein Unfall, der deshalb bis zum Jahresende
in einem Gipsverband zubringen muss. In dieser Zeit übernimmt Studienrat
Doktor Karl Hedicke seine Vertretung. Schliesslich beendet Professor Kaiser
am 31. Mai 1935 seine Schullaufbahn, worüber die Nationalsozialisten
nicht traurig waren. So berichtet ein ehemaliger Domschüler:
"Den
Nazis war er ein Dorn im Auge, seiner
eigenen unmissverständlichen Haltung wegen so gut wie wegen seines
als, kulturbolschewistisch verfemten Bruders. Als er 1933 einen
Unfall hatte, der ihn monatelang dienstunfähig machte, nahmen
sie das als Vorwand, ihn 1934 vorzeitig zu pensionieren.
Er
muss nicht nur ein brillanter Altphilologe gewesen sein, "sondern
auch als Lehrer und Schulleiter eine Persönlichkeit von beeindruckendem
Format." (Kirsche 2006)
Sein politisches Denken
prägen deutschnationale Positionen. Gestützt wurde dieses weniger
durch eine Affinität zum Nationalsozialismus als vom Preußen-Bild
des Historikers Heinrich vom Treitschke (1834-1896).
Professor Dr.
phil. Gottfried Bruno Kaiser,
geboren am 9. Oktober 1872 in Magdeburg, evangelisch, Sohn
eines Kaufmanns, Reifezeugnis am 19. März 1890 in Magdeburg.
Wohnanschrift
in Naumburg (Saale): Bürgergartenstrasse 16 (1939). Promotion
zum Dr. phil. am 8. März 1895 an der Universität
Halle-Wittenberg. Erste Lehramtsprüfung für die Fächer
Lateinisch und Griechisch in den oberen Klassen am 25. Januar
1896 in Halle. 1. April 1896 Antritt des Seminarjahrs am
König Wilhelm Gymnasium in Magdeburg. Beginn des Probejahrs
am 1. April 1897. Dienst als einjähriger Freiwilliger
beim Jenaer Infanterie-Regiment Nr. 94. Ab 1. Oktober 1899
Lehrer an der Landesschule Pforta. Ernennung zum Oberlehrer am
1. Oktober 1900. Ernennung zum Leutnant der Reserve Infanterie-Regiment
94 am 14. November 1901 in Jena. Beförderung zum Oberleutnant
der Reserve am 20. Dezember 1912. Seit 1907 Lehrer in Schulpforta.
Charakterisierung als Professor mit dem 8. Mai 1909. Jahresgehalt
1910 als Lehrer am Domgymnasium: 5 400 Mark. Ab
1. Dezember 1912 Direktor des Domgymnasiums. Einzug in die
Armee am 20. August 1914. Eisernes Kreuz II. Klasse
am 23. September 1915. Dienst bis (wahrscheinlich) 15. November
1917. Wieder Lehrer und Direktor des Domgymnasiums. Wendet sich
1929/30 aktiv gegen die Gründung des Nationalsozialistischen
Schülerbundes an seiner Schule. Auf
dem Weg von seiner Wohnung zur Domschule wird
der Schulleiter am
15. Oktober 1932 beim Überqueren der Straße von
einem Motorradfahrer angefahren und zieht sich dabei einen Bruch
des linken Schenkelhalses zu. Erst im Februar 1933 kann er die
Klinik im Rollstuhl verlassen und tritt am 31. Mai 1935 offiziell
in den Ruhestand.
Er ist Autor
vieler wichtiger Studien und Aufsätze zur Geschichte der
Stadt Naumburg (Saale).
Professor
Bruno Kaiser starb am 7. Dezember 1954 in Naumburg.
|
Als
Nachfolger von Bruno Kaiser wählt die Schulbehörde Professor Otto
Hermann Steche aus, der am 6. Januar 1936 seine Tätigkeit beginnt.
Ein Schüler
erinnert sich daran:
Auch
der neue Direktor Steche .... verdankte seine Karriere natürlich
der Partei. Er trug einen doppelten Doktor und sogar einen Professorentitel
stolz vor sich her und war zuvor Direktor der Nationalpolitischen
Erziehungsanstalt (vulgo, Napola) in Ilfeld gewesen. Da
er Biologe war (womit er die neue Heils- und Grundwissenschaft der
rassenwahnsinnigen Nazis vertrat), wäre er in normalen Zeiten
nie und nimmer Leiter des weitaus ältesten humanistischen Gymnasiums
im Lande geworden, das bisher immer nur Altsprachler von Rang zu Direktoren
gehabt hatte. In der kurzen Zeit, die ich noch Domschüler blieb,
habe ich nicht mehr als nur flüchtige Eindrücke von ihm
gewonnen. Er war ein schwerer Mann mit kahlem Rundschädel, dem
die bombastische braune Parteiuniform der so genannten Goldfasanen,
in der er zu seiner Amtseinführung erschien, ein geradezu brutales
Aussehen verlieh, und trat mit einer lärmenden Selbstgefälligkeit
auf, die zu den urbanen Gelehrtenmanieren seines Vorgängers Bruno
Kaiser in auffallendem Kontrast stand. (Kirsche 2006)
Ein anderer ehemaliger
Schüler des Domgymnasiums merkte sich:
Er
wurde
1945 als Nazigröße und als Verfasser des Lehrbuches
der Biologie (S. 92: auch andere Völker Europas haben
Anteil an diesem gemeinsamen Ahnenerbe; sie sind uns also verwandt.
Völker mit anderem Ahnenerbe gelten als uns blutsfremd, auch
wenn sie zwischen uns wohnen und unsere Sprache sprechen, wie die
Juden.) aus dem Schuldienst entlassen. An seine Stelle trat
Direktor Behne
. (Gatzen)
Otto
Hermann Steche wird am 12. Oktober 1879 in Leipzig geboren und wächst
zusammen mit vier Geschwistern in gesicherten bürgerlichen Verhältnissen
auf. Der Vater ist Kaufmann. Als Schuljunge entdeckt er sein starkes Interesse
für die Naturforschung. Charles Darwin und Ernst Haeckel gehören
zu seiner Lieblingslektüre. Bald
befriedigt ihn der schulische Unterricht nicht mehr.
Professor
Steche erste Reihe links
1898 beginnt Steche
in Freiburg im Breisgau sein Medizinstudium mit dem Schwerpunkt Anatomie
und Physiologie, das er 1903 in Marburg abschließt. Eine Weltreise
treibt den jungen Naturforscher nach Nordamerika, Japan und China. Ihn
beschäftigen zoologischen Studien an Korallenriffen. Über Singapur,
Ceylon (Sri Lanka) und den Suezkanal kehrt er nach Deutschland zurück.
In Leipzig schliesst er mit Anna von Hase, die Tochter eines Geheimrates,
den Bund fürs Leben. Dies erleichtert ihm den Zugang zu universitären
Kreisen der Stadt und der Welt des Buchhandels. Im Frühjahr 1909
gelingt die Habilitation am Zoologischen Institut der Universität
Leipzig mit dem Thema der leuchtenden Fische für Brehms Tierleben.
Hier hält Steche ab 1914 Vorlesungen. Ostern 1916 wechselt der Forscher
an das Institut für Zoologie der Universität Frankfurt am Main,
welches ihn 1916 zum ordentlichen Professor beruft.
1918
wird seine Frau Opfer der grassierenden Grippe-Epidemie.
1923 legt Professor
Steche in Gießen die Staatsexamensprüfung für das Höhere
Lehramt ab. Auf dem Vogelsberg gründet er ein Landerziehungsheim,
die Bergschule Hochwaldhausen, welche 1927 aufgelöst wird. Darauf
folgt eine Anstellung in der Gaudigschule in Leipzig, ohne die Dozententätigkeit
an der Universität Frankfurt aufzugeben (vgl. Steche 1936). Nach
einer Zwischenstation als Leiter der NAPOLA in Ilfeld (Ostern 1934) ergeht
zum 12. April 1937 seine Berufung zum kommissarischen Leiter der
Anstalt (Direktor) des Domgymnasiums Naumburg.
Der
Neue ist nicht schlechthin ein Schulbiologe, sondern ein Biologist
und Anhänger der Rassenlehre der Nationalsozialisten, der genau weiß:
Die
nationalsozialistische Erziehung erstrebt die Formung des deutschen
politischen Menschen. (Auf dem Wege 1936)
Im Biologiebuch für
die Klassen 6 bis 8 lehrt er seinen Schülern:
"Viel bedeutungsvoller
als diese doch immerhin einzeln auftretenden Mischungen ist für
den Deutschen das biologische und kulturelle Verhältnis zum jüdischen
Volke, dessen Angehörige schon jetzt seit Jahrhunderten als rassische
Fremdkörper unter uns leben." (Steche 317).
Professor Steche stirbt
am 30. August 1945, 7.30 Uhr, im Kriegsgefangenen Lazarett Treysa [Teil
der Stadt Schwalmstadt], Abteilung Politische Gefangene, laut amtlicher
Angabe an - Zitat - Allgemeiner Sepsis (Kreislaufstörung).
Am 6. August 1945
(Datum des Berichts) erfolgt die politische Überprüfung des
Personals im Domgymnasium. Von Professor Steche, der am 15. Mai 1945 von
amerikanischen Militärregierung verhaftet wurde, fehlt jede Nachricht.
Der Regierungspräsident von Merseburg bestimmte bereits am 16. Juni
1945 Erich Behne als Schulleiter. Sein Stellvertreter ist Johannes Kegel.
|
|
Unterrichtsfächer
|
1.5.1925
|
29.7.1932
|
1.5.1945
|
6.8.1945
|
SD Professor Bruno Kaiser
|
Latein
Griechisch
|
|
|
|
|
Professor
Otto Hermann Steche
|
Biologie
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|
|
|
|
SR Dr. Karl Hedicke
|
Französisch
|
|
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|
|
SR Johannes
Kegel
1.10.1910
|
Griechisch
Latein
|
|
|
|
|
SR Johannes Malchin
1.4.1911
|
Deutsch
Griechisch
Latein
Turnen
|
|
|
|
|
SR Dr. Arthur Vogler
15.11.1926
NSDAP seit 1937
|
Musik
Französisch
|
|
|
|
Ruhestand
ab 1.9.1945
|
Rudolph Thiene-
mann
1.4.1915
NSDAP 1.5.1933
|
|
|
|
|
|
SR Dr. Artur Rudolph
|
|
|
|
|
|
SR Kurt Berger
1919
|
Mathematik
Physik
Biologie
|
|
|
|
|
OSR Erich
Behne
1.10.1915
|
Latein
Relegion
Griechisch
|
|
|
|
|
SR Erich
Eller
1.4.1915
|
Deutsch
Geschchte
Erkunde
Latein
|
|
|
|
|
SR Walter Friedrich
1.4.1924,
NSDAP seit 1933
|
Mathematik
Physik
Erdkunde
|
|
|
|
|
SR Dr. Ernst Schröter
1930
|
Turnen
Deutsch
Latein
|
|
|
|
|
SR Hermann
Reichhardt
1913
|
Magister
der
Theologie
|
|
|
|
|
OSL
Otto Scheibe
1.10.1927
|
Biologie
Zeichnen
|
|
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|
Wilhelm
Otto Güldenberg
NSDAP 1937,seit
1941 am DG
|
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|
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|
Fuhrmann
|
|
|
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|
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SR Haacke
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|
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|
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Schreibhilfe
Edith
Kramer (Buchholzstraße 12 a)
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Hausmeisterin
Anna Klapperstück (Domplatz 17)
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Ida Jentzsch
(Moritzwiesen)
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Lina Püls (Hinterm Dom)
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Erläuterungen: Name, Antritt des Lehramtes, Parteimitgliedschaft.
Abkürzungen
der Titel SD - Studiendirektor, OSR - Oberstudienrat, SR - Studienrat
|
Die Lehrerkonferenz
des Domgymnasiums beschliesst am 9. November 1945 die Unterrichtsfächer
Religion und Geschichte vorläufig nicht mehr zu unterrichten.
Quellen:
siehe.
|